Sehnsucht, mit Jesus zusammen zu sein
Anscheinend gibt es keine andere Schriftstelle, die das Gefühl der „Sehnsucht“ nach jemandem mehr zum Ausdruck bringt als das Hohelied Salomos. Ich habe dieses Lied in den letzten 10 Jahren viele Male unterrichtet, und ich liebe es, was das Lied uns vermittelt. Ich glaube, das Lied erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die zu den vielen gehört, die in das Haus der Jungfrauen im Palast von König Salomo gebracht wurden. Der König bemerkt sie unter den anderen und bietet ihr die „Welt“ und all ihren Glanz an. Ich glaube, dieses Lied erzählt dann die Geschichte dieser jungen Frau, die sich danach sehnt, zu dem Hirten zurückzukehren und zu dem Schutz, der Geborgenheit und der Sicherheit, die er ihr in früheren Tagen geboten hat. Siehst du, sie kennt den Hirten, den die anderen im Palast nicht kennen. Und weil sie ihn kennt, verspürt sie eine unerschütterliche Sehnsucht, zu ihm zurückzukehren, bei ihm zu wohnen und für immer mit ihm zusammen zu sein. Das ist es, was Liebe bewirkt: Sie erzeugt Sehnsucht.
Ich glaube, dass dieses Lied in der Heiligen Schrift enthalten ist (und noch immer jedes Passahfest in jüdischen Synagogen gelesen wird), weil es die Hingabe und Sehnsucht beschreibt, die wir für unseren eigenen Hirten, unseren Herrn Jesus, empfinden müssen. Wenn uns die Welt auf so viele Arten präsentiert wird, müssen wir denjenigen kennen, der uns mit völliger Hingabe, Treue und Barmherzigkeit liebt, und wir müssen uns ihm in Zeiten der Versuchung und Prüfung und angesichts der Angebote unserer Welt nähern.
Im gesamten Lied sehen wir die Gefühle dieser jungen Frau. In Kapitel 2 erkennen wir, wie sie seinen Charakter einschätzt. Ihre Wahrnehmung dieses Hirten ist, dass er „über Berge springt, über Hügel hüpft, Blumen erscheinen lässt, die Stimme einer Turteltaube hat“ und „ [sie] in den Klippen und Felsspalten versteckt“. Wie sehen wir unseren Hirten, frage ich mich? Sicherlich sehnst du dich nach dem Einen, der die Nacht zum Tag macht, nach Traurigkeit Schönheit bringt und die Kraft hat, über Hügel zu hüpfen und über Berge zu springen. Wir lieben den Einen zutiefst, der uns in den Felsspalten verstecken kann, wenn die Stürme des Lebens kommen, und wir suchen ihn in Zeiten der Not.
Sie hat mehrere Träume, die schnell zu Albträumen werden, als sie glaubt, ihren Hirten verloren zu haben und er für immer aus ihrem Leben verschwunden ist.
In Hohelied 3,1-3 erzählt uns die junge Sulamith von einem Traum, der ihre Entschlossenheit widerspiegelt, ihn zu finden:
Auf meinem Lager in den Nächten suchte ich ihn, den meine Seele liebt; ich suchte ihn, aber ich fand ihn nicht.
»Ich will doch aufstehen und in der Stadt umherlaufen, auf den Straßen und Plätzen; ich will ihn suchen, den meine Seele liebt!« Ich suchte ihn, aber ich fand ihn nicht.
Mich fanden die Wächter, welche die Runde machten in der Stadt: Habt ihr ihn gesehen, den meine Seele liebt?
Diese junge Frau riskiert alles. Und mit Mut und Kraft, welche sie aus der Liebe zu ihrem wunderbaren Hirten schöpft, wird sie in der gefährlichen und dunklen Nacht nach dem suchen, den sie liebt. Sie wird die Gefahren ignorieren, den Komfort ihres Zuhauses vergessen und all ihre Energie und Ressourcen aufwenden, um die dunklen Straßen der östlichen Stadt zu erkunden und ihren Hirten zu finden. Was würde sie schließlich ohne ihn tun? Sie sehnte sich danach, mit ihm zusammen zu sein.
Im Laufe der Jahre habe ich viele Gespräche darüber gehört, wie schwer es ist, unter der Woche an Bibelstudien teilzunehmen, jeden Abend zu Gospel-Treffen zu gehen, ein Leben im Gebet zu führen, anderen zu dienen, wenn wir Arbeit, Kinder und Verpflichtungen haben. Ich denke an die Gefühle der jungen Sulamith und überlege, wie viel Energie, Zeit und persönliche Ressourcen wir mit Entschlossenheit für diejenigen aufwenden, die wir lieben. Als wir in der Gegend von Washington DC lebten, hörte ich oft, wie schwer es ist, im dichten Stadtverkehr zu fahren, um an einer Versammlung der Heiligen unter der Woche teilzunehmen, zu Hauskreisen zu gehen, andere zu besuchen usw. Ich erinnere mich, dass ich die jungen Frauen fragte: Wenn ihr euch in einen gutaussehenden jungen Mann auf der anderen Seite der Stadt „verliebt“ hättet und er euch bitten würde, am Donnerstagabend dreimal um die Ringstraße zu fahren, um ihn zu sehen, würdet ihr dann gerne in euer Auto steigen und losfahren? Ist es nicht genau das, was wir tun, wenn wir uns danach sehnen, in der Gegenwart eines anderen zu sein? Sehnen wir uns danach, bei unserem Herrn zu sein? Sehnen wir uns danach, von ihm zu hören? Sehnen wir uns danach, mit seinen Miterben zusammen zu sein? Sehnen wir uns danach, durch ihn zu bitten? Sehnen wir uns danach, ihm zu dienen?
Und wenn wir keine Zeit für Ihn haben, wenn Er klopft und wir nicht antworten, wenn Er ruft und wir Ihn ignorieren, was wird dann aus unserer Sehnsucht? In Kapitel 5 unseres Hohelieds erzählt die junge Sulamith von einem weiteren Traum, der schnell zum Albtraum wird. Sie fühlt sich zu Hause wohl, hat ihre Füße gewaschen, ist bettfertig, die Hausarbeit ist erledigt – es ist „Zeit für mich“ –, als ihr Hirte kommt und an ihre Tür klopft:
Ich schlafe, aber mein Herz wacht. Da ist die Stimme meines Geliebten, der anklopft! »Tu mir auf, meine Schwester, meine Freundin, meine Taube, meine Makellose; denn mein Haupt ist voll Tau, meine Locken voll von Tropfen der Nacht!« (5,2)
Und sie beginnt sofort, Ausreden zu erfinden, warum es ihr nicht passt, die Tür zu öffnen.
»Ich habe mein Kleid ausgezogen – wie soll ich es wieder anziehen? Ich habe meine Füße gewaschen – wie soll ich sie wieder schmutzig machen?« (5,3)
Sie sagt: „Nein, du kommst zu einem ungünstigen Zeitpunkt, es passt mir gerade nicht, ich hatte nicht damit gerechnet, dass du mich heute Abend brauchst, ich bin gerade nicht bereit, dir zu dienen.“ Wo war jetzt ihre Sehnsucht?
Als sie sich schließlich entscheidet, die Tür zu öffnen, hat sie ihn verloren. Er bittet nicht, er fordert nicht, er zwingt uns nicht, zu antworten.
„Ich tat meinem Geliebten auf; aber mein Geliebter hatte sich zurückgezogen, war fortgegangen.“ (5,6)
Und so ist es auch mit unserem Herrn und Erlöser, unserem Hirten. Er warnt die lauwarme Gemeinde in Laodizea und erinnert sie an eine Liebe, die ihre Sehnsucht verloren hat. Wie wir wissen, läuft diese Gemeinde Gefahr, ihre Beziehung zu unserem Herrn vollständig zu verlieren.
„Alle, die ich lieb habe, die überführe und züchtige ich. So sei nun eifrig und tue Buße!
Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, so werde ich zu ihm hineingehen und das Mahl mit ihm essen und er mit mir.
Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, so wie auch ich überwunden habe und mich mit meinem Vater auf seinen Thron gesetzt habe“ (Offb. 3,19-21).
Wir müssen unseren Hirten so lieben, dass wir eine beständige Sehnsucht empfinden, die niemals vergisst, niemals aufgibt und niemals aus der Bahn geworfen wird. Wenn wir lieben, dann treibt diese Liebe unsere Motivation, unser Handeln und unser Engagement an. Unsere Liebe und unsere Sehnsüchte bestimmen unseren Alltag, unsere Gedanken, unsere Träume und unsere Weigerung, uns beirren zu lassen.
Aber als letzte Warnung müssen wir uns daran erinnern, dass sich unsere Liebe ändern kann und unsere Sehnsüchte beeinträchtigt werden können. Wenn wir unsere Gedanken zurück zu unserem Lied führen, erinnern wir uns an die junge Sulamith, die ihre Gedanken niemals weit von den Feldern ihrer Heimat schweifen ließ. Sie ließ sich niemals zu sehr vom Reichtum, der Popularität und dem Charme eines Königs ablenken. Jeder Geruch, jedes Geräusch, jedes Gespräch, jede Prüfung, jede Versuchung, jedes Ereignis führte ihre Gedanken nur zurück zu dem Frieden und der Stabilität, die sie mit ihrem Hirten verbrachte. Wir müssen uns danach sehnen, unseren Hirten zu sehen, wie eine junge Braut sich danach sehnt, ihren Bräutigam zu sehen, wir müssen uns danach sehnen, Seine Stimme in unserem täglichen Studium zu hören, wir müssen flehen: „Herr, komm schnell“, wir müssen uns danach sehnen, Ihm und allen, die zu Seinem Haushalt gehören, zu dienen, und wir müssen uns danach sehnen, mit Ihm zu sprechen, Ihn zu preisen und Ihn zu bitten, jeden Tag.
An einem Tag, einem einzigen schönen Tag, werden wir genauso empfangen werden wie unsere Sulamith von ihrem Bräutigam empfangen wird. Es wird keine Trennung mehr geben, keinen Kummer, keine Versuchung, keinen Verlust, keine Unsicherheit, denn wir werden mit dem zusammen sein, den wir lieben und nach dem wir uns sehnen.
„Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde waren vergangen, und das Meer gibt es nicht mehr.
Und ich, Johannes, sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabsteigen, zubereitet wie eine für ihren Mann geschmückte Braut. Und ich hörte eine laute Stimme aus dem Himmel sagen: Siehe, das Zelt Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen; und sie werden seine Völker sein, und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott.
Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, weder Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen“ (Offb.21,1-4).